”This is acoustic music in your face. Please welcome Mister Tommy Emmanuel” spricht der Ansager ins Mikrofon und dann rennen die Finger des australischen Gitarristen auch schon gleich los, als ob sie auf der Flucht vor einer Horde australischer Wildschweine sind. “The Finger Lakes” ist ein Liedchen mit hohem künstlerischen Anspruch und dem Hörer offenbart sich sofort, worauf er sich eingelassen hat: Rund 100 Minuten auf 2 CDs gibt der Ausnahmegitarrist 24 Stücke vom besten, in denen es klappernde, schnarrende, jubilierende, traurig weinende aber auch himmelhochjauchzende Saitenexzesse gibt.
Tommy Emmanuel beherrscht sämtliche Stilrichtungen, egal ob es sich um die Techniken Pulling, Hammering, Drei-Finger-Bendings, Oktavspiel, Flagolett-Zupfer oder Fingerpicking handelt. Nach dem ruhigen “Papa George” springt er Mit dem Chet-Atkins-ähnlichen Country-Akustik-Rocker auf den “Train To Düsseldorf”.
Dann gibt’s eine sensationelle Version des Stücks “I Go To Rio” - im Mittelteil begeistert er seine Zuhörer mit einigen spielerischen Feinheiten (tosender Applaus während dessen), aber ohne im technischen Delirium zu versinken, wie es viele Jazzer tun. Der “Nine Pound Hammer” (“Oh I Love this tune” ruft er laut aus) ist schön country-rockabillig. Er singt jetzt und zeigt, dass er auch das kann. “We don’t need no stinking band up here” scherzt er und übernimmt Bass, Percussion und verändert den Song in einen funky Blues.
Sehr schön auch die Billy-Joel Ballade “And So It goes”, in der er zeigt, dass er nicht nur Showman, sondern auch gefühlvoller Musiker sein kann. Eines der Highlights der ersten Disc ist natürlich das Beatles-Medley, das in der Tracklist nur “Day Tripper” heisst, aber es sind auch noch weitere Klassiker (“Here Comes The Sun” oder “Lady Madonna”) der Fab Four ins Arrangement eingebettet. Am Ende der ersten Disc unbedingt erwähnenswert ist noch das 8minütige perkussive Highlight “Mombasa”
Als ich die erste CD in den Player gelegt habe, dachte ich noch “Oh je, 48 Minuten lang nur akustische Gitarre” - aber nach 13 Stücken ist die Zeit wie im Flug vergangen und ich habe ja noch CD 2, auf die ich mich jetzt besonders freue.
Dort geht es dann auch gleich - wie es der Titel schon sagt - bluesig los mit dem “Workin’ Man Blues” - und der Mann arbeitet auch wirklich: Mit den Füssen stampfen, singen, Akkorde schrubben und begleitet wird er von Bob Littell, der einen klasse Job auf der Mundharmonika abliefert. Spontan muss ich an die grossen Blues-Songs von Phil Wiggins und John Cephas denken - Begeisterung bei mir - Begeisterung auch beim Publikum. Verschnaufen - rein geht’s in “Georgia On My Mind” . Kann man den Song eigentlich nie tot spielen? Nicht, wenn er so gebracht wird wie hier. Dieses Mal seeeeehr gefühlvolles Harmonika-Spiel (im Stile von Lee Oskar - fast jazzig) - auch während der nexten drei Stücke ist der Harmonika Player mit von der Partie. Warum habe ich von diesem Mann eigentlich noch nie etwas gehört?
Im 2minütigen “Tall Fiddler” bricht Tommy Emmanuel sämtliche bestehenden Geschwindigkeitsrekorde, der “Cowboy’s Dream” trägt uns zurück in die Zeit der britischen 70er, als der “Folk Baroque” mit seinem Fingerpicking angesagt war. “Seinen John Renbourn” hat er auf jeden Fall studiert. “Initiation” startet mit einem eingespielten indischen Sample, jetzt wird mit einer “offenen” Stimmung experimentiert, die dem Song einen majestätischen Sound gibt. Es folgen repetitive Echo-Loops, zu denen der 54jährige Gitarrist (Stand: 06.03.10) sein Können zum Besten gibt. Tolle & ungewöhnliche Nummer.
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